Herr der Fliegen (Graphic Novel) (Rezension)
Adaption des weltberühmten Romans von William Golding von der talentierten Comic-Künstlerin Aimée de Jongh
Beim Splitter Verlag reiht sich nun der Herr der Fliegen als Graphic Novel in eine ganze Reihe von gelungenen Romanadaptionen. Auch dank Georges Bess können wir mittlerweile auf Klassiker wie Frankenstein oder Dracula als Graphic-Novel-Adaptionen zurückgreifen. Aimée de Jongh versucht sich nun an dem Klassiker Herr der Fliegen von William Golding.
Der Transparenz halber
Ich habe den Roman Herr der Fliegen von William Golding nicht gelesen und kann mich in meiner Rezension nicht auf das Originalwerk berufen. Vielleicht macht das diese Rezension aber vor allem für diejenigen interessant, die den Klassiker schon immer auf ihrer Leseliste hatten, es aber bisher auch noch nicht geschafft haben, sich des Stoffes anzunehmen. Graphic-Novel-Adaptionen eignen sich in der Regel wunderbar, um einen ersten kreativen Zugang zum Stoff zu bekommen. Oft entsteht dadurch der Wunsch, auch nochmal tief in den Originaltext einzutauchen.
Robinsonade mal anders
William Golding wird sicherlich Daniel Dafoes Robinson Crusoe gelesen haben. Der erste Roman der modernen Literatur beeinflusste viele spätere Autoren in ihrem Schaffen. Das Motiv der Isolation auf einer einsamen Insel wurde in der modernen Literatur unzählige Male adaptiert. Serien wie Lost, oder Filme wie Castaway huldigen Dafoes Romanvorlage im modernen Gewand. William Golding greift das Motiv Dafoes auf und gibt seinem Stoff eine eigene Existenzberechtigung, indem er als Protagonisten Kinder wählt. Nach einem Flugzeugabsturz auf einer abgelegenen Insel sind die einzigen Überlebenden verschiedene Gruppen von Kindern. Golding nutzt diese Kulisse, um die Abgründe der menschlichen Existenz und den instinktgetriebenen Kampf ums Überleben in zugespitzter und erschreckender Form nachzuzeichnen.
Aimée de Jonghs cartoonesker Stil
Aimée de Jonghs Illustrationen für ihre Adaption von Herr der Fliegen zeichnen sich durch ihren cartoonesken Stil aus. Dabei setzt sie auf kontrastreiche Bilder mit starken farblichen Akzenten. Besonders ansehnlich ist der Kontrast zwischen düsteren Dschungelszenen und Szenerien auf lichtdurchfluteten Lichtungen. Der düstere Dschungel wird hier häufig als eine Art Rahmung verwendet, um Figuren kontrastreich in Szene zu setzen (Ähnlich wie auf dem Cover, siehe weiter unten). Oftmals denkt man bei cartoonigen Looks an flache und etwas ulkige Bebilderung. Dies ist bei Aimée de Jonghs Illustrationen allerdings nicht der Fall. Mit viel Liebe zum Detail versieht sie ihre Zeichnungen mit Texturen und rendert Licht- und Schattenpartien auf ihren Charakteren. Insgesamt kann man hier von einer durch und durch gelungenen künstlerischen Inszenierung sprechen!
Da darf man beherzt zugreifen
Aimée de Jonghs Adaption von Herr der Fliegen ist durch und durch gelungen. Die Geschichte wird kohärent und nachvollziehbar erzählt und die wunderbaren Illustrationen sorgen für eine stimmungsvolle Lektüre. Dabei ist der cartoonige Stil besonders gut gewählt, passt er doch zu den kindlichen Charakteren, steht aber im starken Kontrast zu den harten Szenen und den menschlichen Abgründen, die sich im Laufe der Geschichte eröffnen. Das ist an einigen Stellen eine durchaus verstörende Kombination, die der Originaltext aber sehr gut vertragen kann. Aimée de Jonghs Adaption ist ein Einstieg in den Roman von William Golding, den man in Erwägung ziehen sollte. Bei mir hat er das Verlangen geweckt, den Originaltext auch nochmal zur Hand zu nehmen. Es gibt wohl kaum einen angenehmeren Einstieg in solche Literaturklassiker!
Herr der Fliegen (Graphic Novel)
ISBN: 978-3-98721-429-5
Erschienen am: 21.11.2024
Szenario William Golding, Aimée de Jongh
Zeichnung Aimée de Jongh
Übersetzg. Tanja Krämling
Einband Hardcover, 16,8 x 24 cm
Seitenzahl 352
Band 1 von 1