Das Bildnis des Dorian Gray – Graphic Novel (Rezension)
In „Das Bildnis des Dorian Gray“ von Amálie Kovárová und Petr Šrédl, erschienen im Knesebeck Verlag, geht es um die Schönheit eines jungen Mannes, die einen Künstler zu seinem besten Werk inspirieren soll. Basil der Künstler möchte Dorian Gray auf die Leinwand bringen. Schon während des Malprozesses bedauern er und sein Bekannter Harry, dass die Schönheit Grays nicht von Dauer sein wird. In einem Verzweiflungsakt wünscht Gray sich daraufhin, dass sein Porträt altern möge und er für immer jung bliebe. Damit verflucht Gray sich selbst und setzt eine Spirale des Schreckens in Gang.
Bereits auf den ersten Seiten wabern uns Rauchschwaden von Tabakprodukten entgegen und ziehen durch die Panels und das Atelier des Künstlers Basil. Der Rauch hinterlässt einen Eindruck der Morbidität und scheint als erste Symbolik die Gegenwart der Vergänglichkeit zu verdeutlichen. Schönheit und Vergänglichkeit erzeugen Ambivalenzen, die den Kern der Geschichte auszumachen scheinen.
Schönheitswahn des Dorian Gray
Im Zeitalter sozialer Medien, die stark über Visualität arbeiten, scheint die Geschichte Grays wie eine Parabel auf unsere Gegenwart. Wir bearbeiten unsere Porträts mit Filtern, um uns ewige Jugend aufzubürden. Glattgezogene Gesichter und große Kulleraugen fliegen uns auf manchem Profil entgegen. Doch bilden sie nicht die Wahrheit ab.
Auch Dorian Gray muss sich mit seiner eigenen Vergänglichkeit auseinandersetzen und eingestehen, dass seine Schönheit nicht von Dauer sein kann. Der Fluch, den er sich selbst auferlegt, bringt kurzzeitig Erfolg, aber zermürbt ihn langfristig, weil seine Seele verdorben und verflucht zu sein scheint.
Barocke Motive
Amálie Kovárová und Petr Šrédl arbeiten in ihrem Werk mit barocken Motiven, die Vergänglichkeit demonstrieren sollen. Immer wieder begegnen uns Totenköpfe und welke Blüten, die bereits das drohende Schicksal Grays andeuten. Der Rauch, der durch die Panels wabert, enthüllt dabei den ein oder anderen morbiden Schrecken.
Die Zeichnungen sind teilweise skizzenhaft und in einigen Panels sind die Gesichter der Protagonisten so undetailliert ausgearbeitet, dass man sich die Frage stellt, um welche Person es sich handeln soll. Hier hätten die Zeichnungen etwas sorgfältiger ausfallen können. Positiv hervorzuheben ist jedoch der starke Symbolcharakter der Zeichnungen und die verspielte, künstlerische Art, in der die Panels gestaltet sind.
Interpretative Spielwiese
Die Machart des Werkes bietet viel Spielraum, das Gelesene zu interpretieren und die Symboliken semantisch einzuordnen. Daher wäre diese Graphic Novel sicherlich ein Highlight eines jeden Literaturunterrichts und daher für den schulischen Kontext sehr zu empfehlen. Aber auch jenseits institutioneller Kontexte kann man hier seine Freude finden, wenn man Genuss an kunstvoller Gestaltung und Text-Bild-Kompositionen mit Tiefgang hat.