Tage des Sandes (Rezension)
Über das Überleben im Dust-Bowl der 30er Jahre
In Tage des Sandes von Aimée de Jongh, erschienen auf Deutsch im Splitter-Verlag, geht es um einen jungen Fotografen, der für eine Zeitung das Leben im Dust Bowl im Jahr 1937 porträtieren soll. Als Dust Bowl wurden dabei Regionen im mittleren Westen der USA bezeichnet, die von verheerenden Sandstürmen heimgesucht wurde. Hungersnöte, Lungenkrankheiten und Landflucht waren an der Tagesordnung. De Jongh orientiert sich dabei an historischen Zeugnissen wie Fotos und Berichten, um ihrer Erzählung Authentizität zu verleihen. Geht dieses Konzept auf, oder verläuft die Story im Sande?
USA 1937 – Tage des Sandes
Der Junge Fotograf John Clark wird in den Dust Bowl geschickt, um die Lebenssituation der Menschen vor Ort zu dokumentieren. Clark sieht sich unweigerlich mit den Schicksalen verschiedener Familien konfrontiert, die mit den Auswirkungen der Staubstürme zu kämpfen haben. Kinder sterben, weil die ständige Staubbelastung ihre Lungen zerstört. Überall husten Menschen und werden krank. Dazu kommen ausfallende Ernten und Hungersnöte. Notdürftig versuchen sich die letzten verbleibenden Menschen kleinste Ritzen in ihren Hauswänden mit Zeitungen zu verkleiden, um den Staub aus ihren Häusern fernzuhalten. John Clark fällt es schon bald immer schwerer Distanz zu den Menschen zu wahren, ziehen ihre Schicksale ihn doch immer mehr in ihren Bann…
50 Shades of Sand
Aimée de Jongh gelingt es ganz ausgezeichnet, die Atmosphäre in den Sandstürmen des Dust Bowls einzufangen. Dabei dominieren stets Gelb- und Ockertöne die Szenerie und verdichten sich zum Teil so bedrohlich, dass die Sicht behindert und die Landschaft eng wird. Diese gelungene künstlerische Umsetzung hilft dabei, die Notsituation der Protagonisten erfahrbar zu machen. Die Figuren zeichnet de Jongh sehr cartoonig, mit starken Linien und relativ einfachen Gesichtern. Diese Gestaltungsform nimmt der Szenerie leider stellenweise ihre Bedrohlichkeit und ihre Dramaturgie.
Historische Recherchen und ein abruptes Ende
Der Story und den Schicksalen der Protagonisten merkt man schnell die zugrunde liegende Recherchearbeit de Jonghs an. Sie hat für Tage des Sandes in alten Archiven nach originalen Berichten und Fotos gesucht, um der Geschichte Authentizität zu verleihen. Allen geschilderten Lebenssituationen ist somit eine gewisse Wahrhaftigkeit anzumerken. Leider endet die Geschichte sehr abrupt und das Drama, das auf den letzten Seiten geschildert wird, wirkt etwas übereilt und konstruiert. Es wirkt so, als hätte de Jongh festgestellt, dass sie nun nach 250 Seiten schnell ein Ende finden müsste. Die persönliche Not des jungen Fotografen, die immer wieder auch durch Rückblenden in seine Kindheit aufgebaut wird, wirkt stellenweise etwas zu pathetisch. Hier hat de Jongh wahrscheinlich zu krampfhaft versucht eine Rahmenhandlung zu konstruieren, die den Reportage-Elementen über die Schicksale der Familien einen Überbau geben sollte.
Leicht zugängliche Lektüre mit interessanten historischen Rahmungen
Tage des Sandes von Aimée de Jongh zeichnet sich vor allem durch die interessanten historischen Fakten und der feinsinnigen Recherchearbeit über die Schicksale der Betroffenen aus. Hier erfahren wir etwas über ein Kapitel der amerikanischen Geschichte, das den meisten Menschen in Deutschland wohl bisher noch nicht begegnet ist. Das Leben in einer vom Sand bedrohten Einöde zeichnet de Jongh beeindruckend nach. Leider endet die Geschichte etwas abrupt und die Rahmenhandlung wirkt sehr konstruiert, dadurch verspielt die Story einen Teil ihres Potenzials. Die Story versandet schnell in der Beliebigkeit, die Bilder und Schicksale der Menschen im Dust Bowl wirken hingegen noch lange nach.
Tage des Sandes
ISBN: 978-3-98721-078-5
Erschienen am: 26.04.2023
Szenario Aimée de Jongh
Zeichnung Aimée de Jongh
Übersetzg. Anne Bergen
Einband Hardcover, Bookformat
Seitenzahl 288
Band 1 von 1