Schöne Neue Welt (Graphic Novel) Rezension
Science Fiction Klassiker in einer kunstvollen Graphic Novel Adaption
In der Graphic Novel „Schöne neue Welt“, erschienen 2022 beim Knesebeck Verlag, adaptiert der londoner Comickünstler Fred Fordham den philosophischen Science-Fiction-Klassiker von Aldous Huxley. Huxley hatte mit seinem Roman 1932 die Science Fiction Literatur revolutioniert.
Eine negative Utopie
In der Geschichte geht es um ein Gesellschaftssystem, das Krieg, Armut, Krankheiten und das Altern überwunden hat. Menschen werden nicht mehr auf natürliche Weise geboren, sondern in Fertilisationsstationen gezüchtet. Dabei wird schon bei der „Produktion“ neuer Menschen ihre spätere Stellung im System determiniert. Die Gesellschaft besteht aus verschiedenen Kasten. Alphas und Betas sind Individuen aus ungeteilten Eizellen. Sie bekleiden die hohen Positionen im Gesellschaftssystem. „Gammas“, „Deltas“ und „Epsilons“ sind geklonte Menschen, die einfache Tätigkeiten in der industriellen Produktion übernehmen.
In der Gesellschaftsvision Huxleys, werden tiefe Gefühle verachtet. Deswegen sind auch enge Familienbande aufgelöst, Beziehungen sind immer nur oberflächlich und von kurzer Dauer und das Individuum steht hinter dem Kollektiv.
Säuglinge werden von Anfang an „konditioniert“, damit sie gegen dieses System nicht aufbegehren und ihre Position in der Gesellschaft bedingungslos akzeptieren. Im Schlaf werden Kinder im Sinne der „Hypnopädie“ moralische Setzungen eingeflüstert.
Um allen Zweifel erhaben zu sein und um Querulanten schnell zur Ruhe zu bringen, gibt es die Droge Soma. Sie vernebelt den Verstand und schüttet Glücksgefühle aus, die alles Negative wieder schnell vergessen lassen. Das Ganze wird mit einer breiten Palette an stumpfen Freizeitangeboten serviert.
Der Hauptprotagonist Bernard Marx, gilt in dieser Welt als Sonderling. Er benimmt sich komisch und für einen Alpha hat er eine ungewöhnlich kleine Statur. Trotzdem fühlt sich Lenina Crowne von ihm angezogen. Bei diversen Dates, versucht Bernard Lenina tiefes Empfinden beizubringen und die Oberflächlichkeit ihres Gesellschaftssystems.
Bei einem Urlaub in einem „Wildenreservat“, indem die Menschen ihre Leben so führen, wie wir gegenwärtig, begegnet Bernard einer ehemaligen Freundin seines Chefs. Sie ging bei einem Ausflug im Wildenreservat verloren und hat dort nun auf natürliche Weise einen Sohn zu Welt gebracht. Beide werden von Bernard und Lenina mit in ihre Gesellschaft gebracht. Dort führen die kulturellen Unterschiede schnell zu heftigen Zerwürfnissen.
Fred Fordham leistet großes
Fred Fordham schafft es, die Komplexität von Huxleys Vorlage vorzüglich auf 234 Seiten abzubilden. Dabei brilliert er mit realistischen Zeichnungen und kammerspielartigen Sequenzen, in denen intensive Dialoge mit gut gezeichneten Charakteren und entsprechenden Mimiken zu betrachten sind. Trotz des gattungstypischen reduzierten Textes in Graphic Novels, schafft es Fordham den philosophischen Kern von Huxleys negativer Utopie darzustellen.
Der Begriff negative Utopie zeigt dabei schon die Ambivalenzen, von denen die Geschichte maßgeblich angetrieben wird. Zu welchen Opfern ist die Menschheit bereit, um die perfekte Gesellschaftsform zu erreichen. Zählt der Einzelne weniger als die Gruppe und sind tiefe Emotionen ein Übel oder ein Segen?
Beim Lesen von Fordhams Werk wird man unweigerlich zum Nachdenken angeregt. Die Fragen, die Huxley 1932 aufgeworfen hat, sind nach wie vor von großer Aktualität und deswegen kann man eine so tiefgreifende und ästhetisch gestaltete neue Adaption in Form einer Graphic Novel nur begrüßen und wärmstens empfehlen.
Schöne neue Welt
Nach Aldous Huxley
17.0 x 24.0 cm, gebunden, 240 Seiten Übersetzt von: Anu Katariina Lindemann ISBN 978-3-95728-578-2
Knesebeck Verlag