Das große Los (Rezension)

Das große Los Vorschaubild

Ein visueller Leckerbissen vom Künstler Joris Mertens

Beim Splitter Verlag ist in der deutschen Ausgabe die Graphic Novel Das große Los vom in Belgien lebenden Künstler Joris Mertens erschienen. Bereits auf den ersten Blick fallen die unglaublich starken Illustrationen auf. Wir schauen uns an, warum Mertens Kunst so beeindruckend ist und ob die Story mit der starken visuellen Gestaltung mithalten kann.

Eine verhängnisvolle glückliche Fügung

François ist im klassischen Sinne das, was man ohne zu zögern als Loser bezeichnen würde. Er arbeitet in einer Wäscherei und fährt täglich die frisch gewaschene Kleidung zu den gut betuchten Kunden. Dabei muss er den nervigen neuen Mitarbeiter einarbeiten, der eigentlich ein Totalausfall ist, aber durch Kontakte zum Chef mitgezogen wird. Zusätzlich zu dieser beruflich prekären Lage, regnet es unentwegt in der Großstadt, in der François lebt. Seinen Schirm vergisst er grundsätzlich zu Hause und so eilt er völlig durchnässt und mit kränklichem Antlitz durch das hektische Treiben der Großstadt. Die Lage ändert sich, als François bei einer Wäsche-Lieferung plötzlich an einem Tatort, an dem die Mafia wütete, eine dicke Tasche voll Geld findet. Doch das Glück kommt nicht ohne Tücken…

Starke urbane Illustrationen

Das große Los bietet düstere urbane Illustrationen, voller Lichtreflexionen und mit viel Regen. Dabei bestechen die Bilder durch ihren hohen Grad an Details und durch das Spiel von Licht und Schatten. Ein immersives urbanes Setting trifft hier auf Architektur, die an die Belle Époque erinnert und starke Bezüge zu Städten wie Paris aufweist. Wer Großstadtkunst zu schätzen weiß, wird hier ein Meisterwerk vorfinden. Besonders interessant ist auch die handwerkliche Komponente der Illustrationen. Bei Betrachtung auf Distanz verschwimmen die Details zu nahezu fotorealistischen Szenen. Schaut man sich die Illustrationen hingegen genauer an, kann man die sehr freien skizzenhaften Annäherungen Mertens an sein finales Bild nachvollziehen. Alles besteht aus sehr reduzierten geometrischen Figuren, die durch Farbe zum Leben erweckt werden.

Das Spiel von Licht und Schatten beherrscht Mertens souverän. Der düstere, verregnete Grundtenor der Story wird immer wieder von stark kolorierten Verkehrslichtern oder warme und hellerleuchtete gemütliche Innenräume durchbrochen. All dies führt zu einer immersiven Leseerfahrung.

Die Story erfüllt ihren Zweck

Die Geschichte ist nicht überragend, aber sie erfüllt ihren Zweck für das Gesamtkunstwerk. Das Motiv vom Loser, der plötzlich zum Millionär wird, ist alles andere als neu, jedoch versieht der Autor dieses Motiv mit einem unerwarteten Ende. Joris Mertens nimmt sich dabei viel Zeit, um den Alltag von François detailliert darzustellen. Es scheint fast so, als sei das stetige Rauchen der einzige Anker in François stressigen Leben. Der abgekämpft und geschlaucht wirkende Charakter erzeugt unweigerlich Mitleid beim Leser. Das scheint für die gelungene Inszenierung Mertens zu sprechen.

Sich mal wieder in einer Geschichte verlieren?

Joris Mertens liefert mit Das große Los ein Werk, dass dazu verführt sich darin zu verlieren. Die starke Atmosphäre, die in dem verregneten urbanen Setting zum Tragen kommt, sorgt für ein immersives Leseerlebnis. Dabei ist die Story leicht zugänglich und kurzweilig. Das große Los ist die perfekte Lektüre für einen verregneten freien Tag, mit Tee, und gemütlichem Leselicht. Der Umfang des Werkes reicht allerdings nur für ein paar Stündchen, dann ist das Vergnügen leider auch schon wieder vorbei. Die Kürze dieses Leseerlebnisses mag hier vor allem dem starken Fokus auf das Visuelle geschuldet sein. Textpassagen sind meistens kurz und sehr zugänglich gehalten. Bitte mehr davon!

Das große Los

ISBN: 978-3-98721-142-3

Erschienen am: 26.04.2023

Szenario Joris Mertens

Zeichnung Joris Mertens

Übersetzg. Axel Rothkamm

Einband Hardcover

Seitenzahl 144 Band 1 von 1

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