Shunas Reise (Rezension)
Mangaeske Bildergeschichte über ein fantastisches Abenteuer eines jungen Prinzen.
Hayao Miyazaki dürft selbst in westlich geprägten Teilen der Welt ein Begriff sein. Auch, wenn es beim Namen nicht sofort klingelt, dürften die Meisten aber etwas mit Studio Ghibli anfangen können. Hayao Miyazaki ist einer der Gründer dieses berühmten japanischen Zeichentrickstudios, das unter anderem Werke wie „Das wandelnde Schloss“ oder auch „Mein Nachbar Totoro“ produziert hat. Mit der vorliegenden Bildergeschichte Shunas Reise werfen wir einen Blick in das Frühwerk Miyazakis, noch vor der Gründung von Studio Ghibli. Die deutsche Ausgabe ist kürzlich beim Reprodukt Verlag erschienen.
Ein Prinz auf Reisen
In Shunas Reise begleiten wir den titelgebenden Prinzen auf eine abenteuerliche Reise durch eine fantasievoll gestaltete Welt. Grund für die Reise sind die ärmlichen Verhältnisse im Königreich, in dem Shuna lebt. Die Menschen hier fristen ein hartes Dasein, reichen die Getreideernten doch gerade immer nur knapp zum Überleben. Harte Arbeit scheint der einzige Lebensinhalt der Bewohner zu sein. Ein Reisender, der erschöpft die Siedlung Shunas erreicht und schon bald verstirbt, erzählt davon, dass er von einem Land weit im Westen hörte, in dem es Getreidesamen gibt, die reichliche Ernten versprechen. Dieser kleine Hoffnungsschimmer ist für Shuna Grund genug, um sich auf die beschwerliche Reise gen Westen einzulassen…
Der Stoff aus dem Sagen gemacht sind
Hayao Miyazakis Geschichte basiert auf einer alten tibetanischen Sage, die er für seine Zwecke etwas umgewandelt hat. Dieser Zusammenhang fällt relativ schnell auf, denn typisch für traditionell überlieferte Geschichten wie Sagen und Märchen, haben wir es hier mit einer äußerst linearen Handlung zu tun. Es lassen sich auch Bezüge zu Werken wie Die unendliche Geschichte von Michael Ende herstellen. Ähnlich wie dort, besteht Shunas Reise aus verschiedenen fantasievoll gestalteten Stationen, die sehr linear nacheinander aufgesucht werden. Dabei begegnen ihm grausame Menschenhändler, geisterähnliche Wesen, aber auch freundlich gesinnte und ehrliche Zeitgenossen.
Ein Manga, der eigentlich keiner ist
Shunas Reise liest sich ähnlich, wie die meisten Manga von rechts nach links. Bis auf diese Tatsache hat die Geschichte aber nicht viel mit klassischen Manga gemeinsam. Hayao Miyazaki präsentiert seine Geschichte in Farbe und ohne Sprechblasen, sondern mit kleinen Textbausteinen, die über die Illustrationen gelegt sind. Außerdem ist die künstlerische Herangehensweise eine völlig andere: Die für Manga übliche überbordende Präsenz von Tusche weicht hier verträumt gestalteten Aquarell-Illustrationen, die sich perfekt der fantasievollen Welt fügen. Pastellige und erdige Farben dominieren dabei das Geschehen und geben der Geschichte ein wohlfühliges Lagerfeuer-Knistern mit.
Einstieg in die Welt der Manga
Shunas Reise kann als Bildergeschichte in Manga-Leserichtung einen niederschwelligen Einstieg in die Welt der Manga bieten. Die farbigen und verträumt wirkenden Illustrationen sind dabei ein wahrer Augenschmaus. Wer interessiert an den Werken des Studio Ghibli ist, wird hier im Frühwerk Miyazakis viele Motive aus späteren Animationsfilmen wiedererkennen. Die Betrachtung dieser Entwicklung von Miyazakis Kunst ist für sich genommen schon ein spannendes Unterfangen. Shunas Reise ist eine kurzweilige und unterhaltsame Lektüre, die jedoch aufgrund der äußerst linearen Handlung wenig Tiefe generieren kann. Trotzdem bleibt am Ende das Gefühl, auf einem guten Niveau unterhalten worden zu sein. Die zauberhaften Illustrationen laden zu einem kurzen Trip in Länder jenseits eures Vorstellungsvermögens ein.
Shunas Reise
ISBN 978-3-95640-395-8
160 Seiten, farbig
15,3 × 21,6 cm, Hardcover
Aus dem Japanischen von Nora Bierich
Lettering: Alex Chauvel