Der Turm 1 (Rezension)

Der Turm 1 Beitragsbild

Gesellschaft in a Nutshell

Der Turm 1 von Omar Ladgham (Story), Jan Kounen (Story) und Mr Fab (Zeichnungen), erschienen 2022 beim Splitter Verlag, verlagert aktuelle gesellschaftliche Herausforderungen in einen Mikrokosmos aus Stahl und Beton.

Ladgham und Kounen versetzen uns in das Brüssel des Jahres 2072. Eine Bakterie hat einen Großteil der Menschheit ausgerottet, allerdings konnten sich 2746 Überlebende in einem Turm in Sicherheit bringen, der ein nahezu autarkes Leben in der Vertikalität ermöglicht. Die künstliche Intelligenz „Newton“ unterstützt die Bewohner bei der Verwaltung des Gebäudekomplexes. Der Turm ist allerdings schon in die Jahre gekommen und so bleiben Schäden nicht aus. Jeder Schaden kann allerdings unvorhersehbare Folgen mit sich bringen, ist doch das Lebensumfeld außerhalb des Turmes durch und durch lebensfeindlich.

Generationenkonflikte, die an die Realität anknüpfen

Im Turm brodelt es. Intras – das sind die jüngeren Menschen, die im Turm geboren wurden und die Welt im alten Zustand nicht kennengelernt haben – treffen auf ältere Bewohner, die noch die Zeit vor dem Ausbruch der Pandemie in Freiheit erlebt haben. Der Konflikt in Ladghams und Kounens Story erinnert nur allzu sehr an aktuelle Generationenkonflikte. Wie so oft geht es im Kern um Perspektiven und das fehlende Verständnis füreinander. Ähnlich verhält es sich in aktuellen gesellschaftlichen Debatten, in denen die jüngere Generation gerne Kategorisierungen wie „Boomer“ oder „alte weiße Männer“ als Kampfbegriffe verwendet und die ältere Generation Begriffe wie „Woke“ oder „Schulschwänzer“ (für Klimaaktivisten) zum Abstrafen der jüngeren Generation nutzt. Ein Diskurs scheint in dieser ambivalenzfeindlichen Stimmung kaum möglich zu sein, ergeht es uns irgendwann wie den Menschen im Turm?

Detailreiche Zeichnungen und blasse Kolorierung

Der Turm1 bietet detailreiche Zeichnungen, die der Künstler Mr. Fab ideenreich in die einzelnen Panels einpflegt. Leider wirken die Kolorierungen etwas blass und die Texturen der Zeichnungen fallen etwas körnig und brüchig aus. Insgesamt liefert Mr. Fab hier aber eine solide Arbeit ab, die der Story zuträglich ist und die Hauptaussagen geschickt in dynamische Bilder gießt.

Fortschritt geht nur mit Gesellschaft

Der Mikrokosmos in Der Turm 1 erinnert uns daran, dass auch mit futuristischer Technologie ein Überleben ohne Zusammenarbeit nicht möglich ist. Je moderner und komplexer eine Gesellschaft ist, desto mehr ist sie auf das Zusammenwirken aller Glieder angewiesen. Komplexe Gesellschaften haben die Arbeitsteilung so ausdifferenziert, dass kaum jemand in der Lage ist ohne den Anderen auszukommen. Der Turm 1 mahnt uns, diesen Fakt nicht aus den Augen zu verlieren. Wenn Gesellschaft weiterhin funktionieren soll, ist es notwendig, andere Perspektiven einzunehmen. Das schließt auch die Erkenntnis ein, dass alte Menschen auch mal jung waren und junge Menschen auch mal alt werden. Der Turm 1 bietet einen interessanten Auftakt, der Potenzial für weitere gesellschaftskritische Erzählstränge bietet. Punktabzug gibt es allerdings beim Innovationspotenzial der Geschichte. Wer den Film „High-Rise“ aus dem Jahr 2015 gesehen hat, wird einige Ansätze durchaus wiedererkennen. Die Idee, einen gesellschaftlichen Mikrokosmos in einem Hochhaus nachzuzeichnen, ist also alles andere als neu. Band 2 von Der Turm wird uns zeigen, ob der Comic es schafft weiterhin eigene Akzente zu setzen.

Der Turm 1

ISBN: 978-3-96792-397-1

Erschienen am: 23.11.2022

Szenario Omar Ladgham, Jan Kounen

Zeichnung Mr Fab

Übersetzg. Tanja Krämling

Einband Hardcover

Seitenzahl 64 Band 1 von X

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