Adieu Birkenau – Eine Überlebende erzählt
Aufrüttelnde Geschichte von Ginette Kolinka, einer Holocaust-Überlebenden
Was Ginette Kolinka im Alter von 19 Jahren erleben musste, ist kaum vorstellbar. Sie wurde zusammen mit ihrer Familie in das Konzentrationslager Auschwitz II-Birkenau deportiert und ihr Vater und ihr Bruder wurden sofort ermordet, weil sie für den Arbeitsdienst zu schwach waren. Ginette hingegen musste ihren Zwangsdienst im Arbeitslager verrichten, dabei war der Tod ihr ständiger Begleiter und Hoffnungslosigkeit ihr Alltag. Worte vermögen dieses katastrophale Kapitel der Menschheitsgeschichte kaum beschreiben. Victor Matet und Comic-Szenarist Jean-David Morvan durften Ginette Kolinka auf eine Reise in die Gedenkstätte des ehemaligen KZs begleiten und versuchen nun die bewegende Geschichte Kolinkas in Adieu Birkenau – Eine Überlebende erzählt als Graphic-Novel in die Welt zu tragen. Auf Deutsch wurde diese Geschichte vom Splitter Verlag verlegt.
Wehret den Anfängen!
Ginette Kolinka hat es sich nach ihren schrecklichen Erlebnissen im Konzentrationslager zur Lebensaufgabe gemacht, ihre Geschichte in die Welt zu tragen. Sie redet vor Schulklassen in der Hoffnung, dass ihre Aufklärungsarbeit dazu beiträgt, dass sich solche Ereignisse nicht wiederholen. Der Journalist Victor Matet und der Comic-Szenarist JD Morvan begleiten Ginette Kolinka auf einer Bildungsreise mit einer Schulklasse in das ehemalige Konzentrationslager Birkenau.
JD Morvan hat thematisch bereits häufiger zu diesem Themenkomplex gearbeitet. Beim Avant-Verlag erschien beispielsweise die Geschichte von Madeleine Riffaud, einer französischen Widerstandkämpferin, die in er Resistance aktiv war. Auch in Adieu Birkenau – Eine Überlebende erzählt findet JD Morvan wieder die richtige Bildsprache, um das Unvorstellbare in die Welt zu tragen. Dabei wird nicht nur der historische Rückblick in den Fokus genommen, sondern auch der gegenwärtige Alltag der mittlerweile 99 Jährigen Ginette Kolinka, die wieder in ihrem Geburtsort Paris lebt. Victor Matet und Jean-David Morvan porträtieren Ginette Kolinka als rüstige alte Dame, die trotz all der erlebten Schrecken nicht ihre Schlagfertigkeit und ihren Humor verloren hat.
Beeindruckende Bildsprache
Jean-David Morvan bedient sich einer einprägsamen Bildsprache, die auch die innere Zerrissenheit der Protagonisten Ginette Kolinka verdeutlicht. Er stellt starke Kontraste her, indem er Beispielsweise einen ausgelassenen sorgenfreien Kindergeburtstag von Ginettes Sohn zeigt, gleichzeitig aber Close-Ups auf die tätowierte Häftlings-Nummer auf den Arm von Ginette zeigt, die gerade in der Küche abwäscht. Trotz der schrecklichen Erlebnisse von Ginette, zeigt Jean-David Morvan, dass Ginette viel mehr als eine KZ-Überlebende ist. So sehen wir sie beispielsweise in einer Einstiegsszene ausgelassen in einem Aerobic-Kurs. Und trotzdem: auch hier prangt diese Tätowierung, die so unfassbares Leid bedeutet, an ihrem Unterarm. Diese antithetische Bildsprache und die gefühlvollen Zeichungen von Jean-David Morvan verleihen der Lektüre eine besondere Tiefe und Emotionalität.
Eine besondere Leseerfahrung
Adieu Birkenau – Eine Überlebende erzählt ist uneingeschränkt zu empfehlen. Die starke Bildsprache und die empathische Darstellung von Ginette Kolinka, mit all ihren Ambivalenzen, regen zum Nachdenken an. Durch diese vielen Bedeutungsebenen der Graphic-Novel, eignet sie sich auch hervorragend für den Einsatz in Bildungskontexten. Egal ob im Deutsch oder Geschichtsunterricht, oder in außerschulischen Kontexten: Adieu Birkenau – Eine Überlebende erzählt bietet für verschiedene Themenbereiche einen authentischen Gesprächsanlass. Man kann den Autoren nicht genug dafür danken, dass sie die Geschichte von Ginette Kolinka durch ihr Werk am Leben erhalten. Und Ginette Kolinka kann man nicht genug dafür danken, dass sie trotz ihrer unfassbaren Geschichte nicht müde geworden ist, ihr Leben einem höheren Zweck zu widmen und so vielen Menschen von ihren Erlebnissen zu erzählen. Ihre Geschichte ist eine Mahnung an uns alle und leider wieder aktueller denn je.