Captain Swing und die elektrischen Piraten von Cindery Island (Rezension)
Elektrisierende Piratengeschichte gewürzt mit Steampunk
Captain Swing und die elektrischen Piraten von Cindery Island von Warren Ellis (Autor) und Raulo Cáceres (Zeichner) ist im November 2019 beim Dantes Verlag auf Deutsch erschienen. Wir wagen einen Blick in diese düster gestaltete Mischung aus Steampunk und Piraterie.
Viktorianisches England bei Vollmond
Der erste Blick in Captain Swing und die elektrischen Piraten von Cindery Island offenbart bereits, dass es furchtbar düster wird. Beim Durchblättern sticht die Architektur des viktorianischen Englands ins Auge. Diese hüllt sich in durchweg blau-schwarz gestalteten Panels in nächtliche Vollmondkulissen.
Die Legende von „Spring Heeled Jack“
Die Nacht als Motiv für das Erwachen der Piraten und ihres Freiheitskampfes gegen das mächtige Regime aus Magistraten und Adel wird zusätzlich mystifiziert, indem Ellis an die englische Folklore über „Spring Heeled Jack“ anknüpft. Ordnungshüter des Regimes, die sich in Peeler (Polizisten) und Bow Street Runner (Kopfgeldjäger) aufteilen, deuten das erste Zusammentreffen mit Captain Swing als Begegnung mit dem legendären Spring Heeled Jack. Dieser Mythos lässt Captain Swing zunächst als mordlustigen Gewalttäter erscheinen. Über die wahren Motive seines Handelns erfährt der überengagierte Peeler Charlie erst, als er sich bei einem nächtlichen Einsatz an die Fersen von Captain Swing heftet. So gelangt er auf das durch Elektrizität angetriebene Luftschiff des Captains und damit in die Hände der Piraten.
Cindery Island als Piratenutopia
Captain Swings Crew nimmt Charlie mit zu ihrem geheimen Unterschlupf auf Cindery Island und im Verlaufe der Begegnung entwickelt Charlie Sympathie für das Anliegen der Freiheitskämpfer. Ihr Ziel: Sie wollen der Menschheit Zugang zu ihren bahnbrechenden wissenschaftlichen Errungenschaften im Umgang mit Elektrizität geben. Die Magistrate der Bow Street wollen dies hingegen verhindern. Sie verfügen selbst über ein bislang einzigartiges Machtmonopol, das sie durch die Kraft eines von ihnen beschlagnahmten Meteoroiden aufbauen konnten…
Düsterer Schabkartonstil und pulsierende Blitze
Raulo Cáceres arbeitet in Captain Swing und die elektrischen Piraten von Cindery Island mit einer Art Schabkartonstil. Die Panels sind durchtränkt von Schwarz und dunklen Blautönen, die immer wieder kontrastreich mit Blitzen durchzogen sind, die durch die elektrischen Werkzeuge und Waffen der Piraten erzeugt werden. Dieser Kontrast zwischen Dunkelheit und grellen Blitzen scheint symbolisch den Freiheitskampf der Piraten widerzuspiegeln. Sie wollen mit ihren wissenschaftlichen Durchbrüchen für Aufklärung und Erleuchtung der Menschheit sorgen. Die Magistrate verfolgen hingegen machtgetriebene und selbstbezogene Ziele. Cáceres fängt dabei auch exzellent den Spirit des viktorianischen England ein und erzeugt eine immersive, in sich kohärente fiktive Welt. Hier treffen Pflastersteine und rote Dachziegel auf schmiedeeiserne, elektrizitätserzeugende Maschinen treffen.
Steampunk Ästhetik und ein völlig entfesselter Ellis
Wer Steampunk-Settings mag, wird in Captain Swing und die elektrischen Piraten von Cindery Island reichlich verwöhnt. Der einzigartige Stil mit dem Raulo Cáceres die Story von Ellis in Szene setzt, sorgt für ein immersives und düsteres Lesevergnügen. Die Motive der Story, wie Freiheitskampf und die Fortentwicklung der Menschheit durch wissenschaftliche Erkenntnis, sorgen dabei für eine zeitlose Relevanz, die immer wieder Gegenwartsbezüge zulässt. Der rebellische Leser verspürt nach der Lektüre sicherlich sofort das Bedürfnis, bei den Piraten von Cindery Island anzuheuern. Pendants zu egoistischen und machtverdorbenen Magistraten finden sich schließlich auch in der realen Welt zur Genüge.
Captain Swing und die elektrischen Piraten von Cindery Island
Autor: Warren Ellis
Zeichner: Raulo Cáceres
Übersetzung: Jens R. Nielsen
Paperback, 16 x 24 cm, 128 Seiten in Farbe
Erschienen: 12. November 2019