Emmie Arbel. Die Farbe der Erinnerung (Rezension)

Emmie Arbel. Farbe der Erinnerung Beitragsbild

Einfühlsame Graphic-Novel über die Zeitzeugin Emmie Arbel

Emmie Arbel. Die Farbe der Erinnerung, von Barbara Yelin, behandelt die fragmentarischen Erinnerungen von Emmie Arbel, die als Kind mehrere Konzentrationslager überlebte. Die Geschichte endet aber nicht mit der Befreiung Emmie Arbels. Wir bekommen auch Einblicke in die weiteren Lebenswege, die mit weiteren traumatischen Verletzungen verbunden sind. All diese Etappen lassen uns erahnen, wie aus Emmie Arbel diese selbstbestimmte und in gewissermaßen auch sehr eigenwillige Person wurde, die sie heute ist.

Oral-History als Herausforderung

Man muss Barbara Yelin Respekt zollen, denn die Lektüre selbst zeigt uns eindringlich, wie fragmentarisch Erzählungen von Zeitzeugen sein können. Yelin versucht gar nicht erst ihre Dramaturgie streng an irgendeiner Form von Chronologie zu fesseln, dadurch bekommt die Geschichte tatsächlich den Charakter einer Oral-History. Das führt dazu, dass die Geschichte oftmals Sprünge vollzieht, die nicht immer sofort nachvollziehbar sind. Arbel streut auch immer wieder Anekdoten und Erinnerungen ein, die plötzlich zwischen größeren Erzählabschnitten auftauchen. Oft erklären ihre Anekdoten aber die zum Teil zunächst merkwürdig erscheinende Verhaltensweisen Arbels. Warum darf ihre Katze z.B. nicht in das Haus? Die Erklärung findet sich viele Seiten später in einer dieser Anekdoten.

Verlaufende Farbe

Barbara Yelin lässt ihr Aquarellfarben ein Eigenleben entwickeln. Ihre melancholischen Bilder setzt sie gefühlvoll auf Untermalungen aus Aquarellklecksen. Die Zeichnungen wirken dadurch etwas unruhig und oft entsteht der Eindruck, dass die dunklen Farben über Emmie Arbel förmlich hereinbrechen. Das passt ausgezeichnet zur Geschichte Arbels. Auch die Aquarelltechnik scheint wie gemacht für dieses Werk. Aquarellfarbe ist schwer kontrollierbar und entwickelt beim Verlaufen oft ein Eigenleben. Das bringt aber eine Dynamik und Flüchtigkeit mit sich, die zu den flüchtigen und fragmentarischen Erinnerungen passen.

Der historische Kontext

Emmie Arbel. Farbe der Erinnerung wird am Ende mit einem Text zur historischen Einordnung von Alexander Korb und Dienke Hondius ergänzt. Die Verbindung aus Zeitzeugenerzählung und dieser historischen Einordnung hilft dabei Arbels Geschichte noch besser nachvollziehen zu können. Man merkt dem Werk an, mit wie viel Feingefühl und Enthusiasmus hier alle Beteiligten versucht haben, möglichst unverfälscht die Geschichte Arbels in den Fokus zu stellen. Besonders gelungen sind die Wechsel zwischen Vergangenheit und Gegenwart. Diese Vorgehensweise ist im geschichtsdidaktischen Sinne hervorragend, um Erinnerungskultur zu pflegen. Die Historizität des Stoffes vermag es uns eindrücklich auch die Bezüge zur Gegenwart aufzuzeigen.

Wichtige Lektüre

Nicht zuletzt vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklungen im Nahen Osten, scheint Emmie Arbel. Die Farbe der Erinnerung einen wichtigen Beitrag zur politischen Bildung zu leisten. Die Fragilität jüdischen Lebens, die nun seit Jahrhunderten andauert und durch Verfolgung und Vernichtung geprägt ist, fordert uns alle dazu auf, solidarisch zu sein. Das Werk Yelins ist ein wichtiger Beitrag, um die Geschichte der Überlebenden des Nationalsozialismus am Leben zu erhalten. Die Historizität des Werkes zeigt dabei eindrücklich, wie die Geschichte bis heute nachwirkt und Generationen von Menschen geprägt hat. Wir alle sind aus Geschichte geworden und praktizieren in jeder Sekunde weitere Geschichte. Barbara Yelin trägt dazu bei, dass wir das nicht vergessen.

Emmie Arbel. Die Farbe der Erinnerung

Barbara Yelin, Emmie Arbel

ISBN 978-3-95640-396-5

192 Seiten, farbig, 19 × 25 cm, Hardcover

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