Ein Metaphysischer Kampf zwischen Licht und Schatten

In Nocterra 1 – Mit Vollgas in die Dunkelheit, auf Deutsch beim Crosscult Verlag erschienen, konstruieren Scott Snyder und Tony Daniel den klassischen Kampf zwischen Licht und Schatten in modernem Gewand. Ist Nocterra eine innovative Erleuchtung oder bloß ein trüber Schatten einer bereits bekannten Idee?

Auf der Erde ist plötzlich die Sonne und mit ihr das Licht verschwunden. In dieser apokalyptischen Situation begleiten wir Val Riggs und ihren Bruder Emory, die Transportdienste für Menschen in den letzten beleuchteten Zufluchtsorten übernehmen. Aus Lebewesen, die zu lange in der Dunkelheit waren, werden Schattendämonen. Diese können nur mit Licht bekämpft werden. Dementsprechend tummeln sich die Überlebenden wie Motten um die verbleibenden Lichtquellen in den Zufluchtsorten.

Val und ihr Bruder werden von einem alten Mann namens Augustus und seiner Enkelin Bailey um die Erfüllung eines Auftrags gebeten, dessen utopische Versprechungen Zweifel an der Vollständigkeit der Erzählung zulassen. Die Geschwister müssen aber zusagen, da Emory erste Anzeichen der Schatteninfektion aufweist und weil es am Zielort angeblich UV-Lampen gibt, mit denen er geheilt werden könnte. Val und Emory ahnen nicht, dass Augustus und Bailey eine Fracht bei sich tragen, die auch für den skrupellosen Killer „Blacktop Bill“ von großem Interesse ist. Es beginnt eine Jagd durch die Dunkelheit…

Bekannte Stoffe modern in Szene gesetzt

Der Kampf zwischen Licht und Dunkelheit ist uns bereits aus etlichen Erzählungen bekannt. Das Computerspiel „Alan Wake“ arbeitet z. B. mit sehr ähnlichen Elementen wie Nocterra, was darauf schließen lässt, dass sich Snyder hier Inspiration geholt haben könnte. Ähnlich wie in Nocterra, bekämpft man in Alan Wake Schattenwesen mithilfe von Licht. Die Taschenlampe wird so zum lebensrettenden Accessoire. Trotz der Vertrautheit des Stoffes, schaffen Snyder und Daniel es, das Ganze in ein modernes Gewand zu kleiden.

Farbenfrohe Gestaltung und Cyperpunkige Outfits

Nocterra 1 – Mit Vollgas in die Dunkelheit begegnet uns in modernem Stil. Für die kontrastreichen Zeichnungen hat Daniel sich großzügig an der Farbpalette bedient. Das scheint den vielen Cyberpunk-Anleihen, die sich in Neonlichtern und in fantasievollen Kostümierungen der Protagonisten zeigen, zugute zu kommen. Die meisten Protagonisten tragen Lichterketten als Accessoires bei sich, die Schutz vor den Schatten bieten sollen. Die sicheren „Häfen“ sind ebenfalls großzügig mit alten Leuchtreklamen und allerlei weitere Leuchtmittel geschmückt. Auch hier erinnert das Setting an Cyberpunk.

Vieles in der Welt von Nocterra 1 – Mit Vollgas in die Dunkelheit ist kaputt und dreckig. Autos scheinen eine große Rolle für die Fortbewegung und den Kampf zu spielen. Es drängt sich also schnell der Eindruck auf, dass auch ein wenig Mad-Max-Ästhetik Einzug in die Lektüre gehalten hat.

Actionreicher Roadtrip mit ungewissem Ausgang

Nocterra 1 – Mit Vollgas in die Dunkelheit ist eine sehr niederschwellige Lektüre, die durch ihre Actionelemente und dem mysteriösen Setting zu unterhalten weiß. Beim Lesen kommt schnell die Frage auf, warum die Erde plötzlich in Dunkelheit getaucht wurde und warum sich die Schattenwesen gebildet haben. Viele Fragen bleiben im Auftaktband noch unbeantwortet und verleiten dazu, auch den zweiten mit Spannung zu erwarten. Der Start der Reihe kommt dabei insgesamt sehr niederschwellig daher und bringt wenige Bedeutungsebenen mit sich. Gesellschaftskritik, oder philosophische Einlassungen muss man gezielt suchen. Hinzu kommen ein paar Logiklücken im Erzählstrang. Wer darüber hinwegsehen kann und auf der Suche nach einfacher Unterhaltung mit Verfolgungsjagden im dystopischen Setting ist, kann dennoch beherzt zugreifen.